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Paradoxe Führungssituationen

Pascal Sieber

Dr. Pascal Sieber - im Juli 2019

Neue Führungsansätze

In den letzten Jahren begegnete ich vermehrt Artikeln und Tagungsbeiträgen, die sich mit angeblich neuen Führungsansätzen auseinandersetzen. In Geschäftsplänen für digitale Geschäftsideen lesen wir, dass unbedingt ein anderer Führungsstil praktiziert werden müsse, als im Stammgeschäft. Die Begriffe «agil» und «soziokratisch» fallen immer häufiger. Unternehmen stellen auf holokratische Prinzipen um.

Aufgrund meiner Auffassung vom guten Management und meines Menschenbilds unterstütze ich viele der angeblich neuen Prinzipen. Trotzdem muss ich mit meiner immer noch lebendigen, wissenschaftlichen Ader fragen, was denn das Rationale hinter diesen angeblich neuen Prinzipien ist und wie das mit der Digitalisierung und der digitalen Transformation zusammenhängt. Die wenigsten Vorträge, Artikel und Business Pläne stellen diesen Zusammenhang her. Vielmehr wird undiskutiert davon ausgegangen, dass agiles Management und soziokratische Regelungen den Entscheidungskompetenzen der linearen Planung und der Kompetenzregelung qua Geschäftsleitungsbeschluss überlegen seien.

Prof. Dr. Alexander Hunziker wird am CNO Panel No. 19 seine Sicht der positiven Führung vorstellen und auf diese Zusammenhänge anhand seines Ansatzes eingehen. Prof. Venkat Venkatraman wird die Führungsprinzipen in den Kontext der globalen Veränderungen in Unternehmensnetzwerken und in Weltmarkt-Macht-Verhältnissen stellen. Über diese beiden Inputs gelingt es, die Verbindung von der digitalen Transformation zu den Organisationsprinzipen herzustellen. Es fehlt aber der Brückenschlag zwischen der Organisation und der einzelnen Führungskraft sowie den Mitarbeitenden. Dazu haben wir Dr. Jennifer L. Sparr eingeladen. In einer Podiumsdiskussion wird sie Ihre Gedanken und Erkenntnisse mit uns teilen.

Mitarbeitendenperspektive während des organisatorischen Wandels

Während des organisatorischen Wandels erleben sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeitende paradoxe Spannungen. Darauf reagieren sie oft defensiv. Es lohnt sich, diesen Spannungen nachzugehen, um die individuellen Bedürfnisse zu verstehen.  In der Literatur finden wir eine reichhaltige Diskussion darüber, was es bedeutet, Führungskräfte auf Paradoxien im organisatorischen Wandel zu sensibilisieren. Die Mitarbeitendenperspektive hingegen wird weitgehend vernachlässigt; insbesondere welchen Einfluss Führungskräfte darauf haben, Mitarbeitende für Paradoxien zu sensibilisieren. Um diese Lücke zu schliessen, stellt Jennifer Sparr ein konzeptionelles Modell vor, das auf der Theorie des Unsicherheitsmanagements aufbaut und die Rolle der Fairnessbewertungen der Mitarbeitenden bezüglich paradoxer Anforderungen aufzeigt. Sie rät, dass sich Führungskräfte – ausgehend von ihren eigenen Sensibilisierungsprozessen - für Paradoxien aus Sicht der Mitarbeitenden sensibilisieren. Das sieht sie als entscheidende Randbedingung für die Fairnessbewertungen der Mitarbeitenden und ihre anschliessenden Reaktionen auf paradoxe Spannungen.

Ihr Modell kombiniert die Erkenntnisse aus der Forschung über paradoxe Situationen mit den Erkenntnissen aus der Forschung über die wahrgenommene Fairness. Dabei anerkennt das Modell die Paradoxie des organisatorischen Wandels und fokussiert neu und spezifisch darauf, wie die Veränderungsreaktionen von Individuen positiv beeinflusst werden können.

Mitarbeitende müssen verstehen können

Paradoxien sind des Managers Existenzberechtigung. Gäbe es keine paradoxen Situationen, könnten wir einen Computer programmieren, der die Führungsentscheide trifft. Es genügt aber nicht, wenn sich die Führungskraft selbst mit den Paradoxien auseinandersetzt und mit dem eigenen Widerspruch lernt zurechtzukommen. Er oder sie muss vor allem dafür sorgen, dass die Mitarbeitenden verstehen – ja im besten Fall nachvollziehen oder sogar vorwegnehmen – warum im Einzelfall eine Entscheidung so und nicht anders getroffen wird.  

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Dr. Jennifer L. Sparr ist in Feldkirch, Österreich, nahe der Schweizer Grenze aufgewachsen, hat in Konstanz als Psychologin promoviert, in München als Organisationsberaterin gearbeitet und stellt aktuell an der ETH am Institut für Arbeits- und Organisationspsychologie ihre Habilitation fertig.

 

Beispiele von Paradoxien

Kurzfristiger Profit vs. langfristige Nachhaltigkeit

Wer kennt die Bemerkung nicht: «Denen geht es halt nur um den kurzfristigen Profit.» An solchen Bemerkungen ist die Redewendung «halt nur» ein Alarmsignal. Es ist den Managern offenbar nicht gelungen, ihre paradoxe Situation so zu kommunizieren, dass die Mitarbeiter sagen: «Im Moment wollen wir uns auf kurzfristigen Profit konzentrieren».

Direktive und partizipative Führung

Wir sind alle schon Managern begegnet, die sagen: «Dann muss ich umstellen auf klare Auftragserteilung.» Situative Wahl des Führungsstils ist in der Literatur breit diskutiert und niemand wird daran zweifeln, dass es sinnvoll ist, sich auf einzelne Situationen einzustellen. Ebenso wichtig ist es, dass ein temporärer Wandel zu einem direktiven Führungsstil von allen Beteiligten als gut und logisch und nicht als plötzlich und unsinnig wahrgenommen wird.

Welche paradoxen Spannungen gibt es bei Ihrer Arbeit?

Notieren Sie sich Ihre Gedanken dazu und teilen Sie sie gerne mit mir. Demnächst werde ich ein Interview mit Jennifer Sparr publizieren. Am CNO Panel No. 19 erleben Sie Jennifer Sparr ganz persönlich. Sie haben Gelegenheit, am Podium Ihre Fragen und Gedanken zu platzieren und das Thema zu vertiefen.

Anmeldung und Details zum CNO Panel.